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Viessmann realisiert weltweit größte SAP S/4HANA-Transformation in der produzierenden Industrie.
Foto: Viessmann Der Hersteller von Energiesystemen Viessmann schaltete an einem Wochenende 28 Produktionseinheiten in 34 Ländern sowie weltweit 78 Vertriebsorganisationen auf SAP S/4HANA live Die Viessmann Group mit Stammsitz im nordhessischen Allendorf (Eder), einer der weltweit führenden Hersteller von Energiesystemen (12.000 Mitarbeiter, 2,5 Mrd. Euro Umsatz), hat den Umstieg auf eine komplett neue digitale Plattform auf Basis von SAP S/4HANA realisiert. Bei dem Big-Bang Go-Live wurden an einem Wochenende insgesamt 28 Produktionseinheiten in 34 Ländern sowie weltweit 78 Vertriebsorganisationen auf SAP S/4HANA migriert. Das anspruchsvolle Greenfield-Projekt ist die bislang größte S/4-Transformation in der produzierenden Industrie weltweit. Insgesamt 190 Buchungskreise und 30 Milliarden Datensätze galt es zu transferieren. Mehr als 6.000 User waren von der weltweiten Umstellung betroffen.
Das Industrieunternehmen befindet sich mitten in der Digitalen Transformation. Für die IT gilt es, neue Anforderungen aus dem Business mit einer hohen Dynamik umzusetzen. Da lag es nahe, den anstehenden Umstieg auf S/4 frühzeitig anzugehen. Viessmann wollte seine zentrale IT-Plattform fit machen für das digitale Zeitalter in globalen Märkten. Ziel war es, einen digitalen Kern zu etablieren und die Geschäftsprozesse durch Best Practices auf Basis von SAP S/4HANA weltweit zu harmonisieren und zu standardisieren. Prozesse ändern sich bei Viessmann sehr schnell und darauf muss die IT direkt reagieren.
„Ein langwieriges Unternehmensprojekt über fünf und mehr Jahre hätten wir uns nicht leisten können. Die S/4-Transformation ist für einen Global Player wie Viessmann ein unternehmenskritisches Zukunftsvorhaben von strategischer Bedeutung. Zugleich war es das größte IT-Projekt in der Geschichte von Viessmann. Es ist daher ein Quantensprung, wenn sich so ein Vorhaben in kürzester Zeit und zu einem Bruchteil der Kosten realisieren lässt“, erklärt Harald Dörnbach, Geschäftsführer Viessmann IT Service.
Viessmann entschied sich für einen selektiven Ansatz („s.m.a.r.t. Green“), entwickelt von cbs Corporate Business Solutions. Bei einem Upgrade-Projekt („System Conversion“) hätte man alle bestehenden Prozesse und Daten 1:1 übernehmen müssen, auch Eigenentwicklungen und Prozesse, die nicht mehr zukunftsfähig sind und nicht mehr benötigt werden. Das erschien nicht sinnvoll. Beim cbs-Ansatz wurden zunächst die Kernprozesse vom Business auf ihre Zukunftsfähigkeit überprüft. 80 Prozent der Prozesse wurden ins neue S/4-System übernommen, da sie einen hohen Reifegrad haben. Der Rest wurde angepasst oder komplett nach den Business-Anforderungen neu designed. Bewährtes erhalten, Überholtes erneuern – so das Motto. Viessmann ging selektiv vor und hat sich auf die Prozesse konzentriert, deren Veränderung einen echten Mehrwert für das eigene Geschäftsmodell bietet. So konnte das Unternehmen von vornherein eine starke Hebelwirkung durch S/4 erwarten.
Die Viessmann-Verantwortlichen wussten: Wer seine Prozesse weltweit standardisieren möchte, benötigt dafür eine zentrale Steuerung. IT-Chef Dörnbach: „Die weltweiten Standards sollten durchgängig in der gesamten Gruppe gelebt werden. Daher haben wir Global Process Owner bestimmt, die einheitliche Prozess-Standards sicherstellen.“
Das SAP-ERP-System ist die zentrale Komponente der internationalen System-Landschaft bei Viessmann: 190 Buchungskreise, ein Mandant, auf den insgesamt 6.000 User in 34 Ländern zugreifen. Dabei gilt es, 26 Sprachen zu berücksichtigen.
Das Transformationsprojekt umfasste mehrere Phasen. Am Anfang stand die S/4HANA Prozessanalyse, bei der alle Geschäftsprozesse auf ihre S/4-Tauglichkeit geprüft wurden. Dieser Schritt befasste sich mit den drei Bereichen User Experience, Prozesse und Applikationen. Dabei wurde analysiert, inwieweit sich bei Viessmann mobile Benutzeroberflächen (SAP Fiori) nutzen lassen, um die Bedienerfreundlichkeit zu erhöhen und Prozesse zu vereinfachen. Zudem wurde evaluiert, ob der Einsatz von Embedded Analytics für bestimmte Funktionsbereiche machbar ist. Ziel war es außerdem, Optimierungspotenziale zu identifizieren und Viessmann-spezifische Prozessausprägungen wieder durch den SAP-Standard zu ersetzen. Ziel war es ebenso herauszufinden, wie sich mit S/4HANA-Innovationen echte Business Benefits (Wertschöpfung) erzielen lassen. Zudem galt es, die Applikationslandschaft zu vereinfachen und im Umfang zu reduzieren. Obsolete Add-Ons und überflüssige Eigenentwicklungen wurden zurückgelassen. Veraltete und redundante Lösungen sollten durch SAP Standard-Features ersetzt werden.
Danach folgte die Business Partner-Implementierung und die Einführung des neuen Hauptbuches (New G/L). Im finalen Schritt wurden dann sämtliche Daten in einem Big-Bang-Go-Live innerhalb eines Wochenendes aus dem alten ECC6-System auf S/4 migriert. In Teilen wurden dabei über zehn Jahre Historie übernommen. Die Migration wurde dann sogar ein Tag früher als geplant abgeschlossen.
Der technische Migrationsansatz für die „Selective Data Transition“ sah folgendermaßen aus: Zunächst wurde ein S/4-System aufgebaut. Relevantes Customizing wurde übernommen und auf S/4 angepasst, relevante Eigenentwicklungen wurden ebenfalls mitgenommen. Schließlich folgte die Migration der Daten und der Go-Live im Big Bang. Mit Hilfe der Standardsoftware cbs ET Enterprise Transformer for SAP S/4HANA wurden alle Daten aus dem Quellsystem ins neue S/4 System übertragen – minimal-invasiv im Near-Zero-Downtime-Verfahren, ohne längere Unterbrechung des laufenden Betriebs.
Bei dem Go-Live wurden insgesamt 28 Produktionseinheiten in 34 Ländern sowie weltweit 78 Vertriebsorganisationen auf S/4HANA migriert. Der Scope umfasste mehr als 6.000 Business-Objekte, rund 37.000 SAP-Tabellen und 190 Buchungskreise mit insgesamt 30 Milliarden Datensätzen. Mehr als 6.000 User waren von der weltweiten Umstellung betroffen. Der Transfer umfasste alle SAP-Module: FI, AM, CO, MM, WM, PP, SD, HCM, CS, PS, QM und PM.
„Rückblickend war es die ruhigste Umstellung, die ich bisher in meiner Karriere in der Unternehmens-IT erlebt habe. Wir haben am Morgen nach dem Go-Live auf Incidents gewartet, aber es kam nichts. Alle Prozesse in S/4 funktionierten von Anfang an rund. Produktion, Versand, Lager – sämtliche Bereiche liefen unter Volllast ohne Unterbrechung weiter“, berichtet Viessmann-IT-Service-Leiter Dörnbach. Die User konnten im neuen S/4HANA-System genau dort an Bestellungen, Lieferungen, Fakturen oder Projekten weiterarbeiten, wo sie vor dem Go-Live-Wochenende aufgehört hatten.
Das Erfolgsgeheimnis war die Transformationsstrategie. „Der s.m.a.r.t. Ansatz hat die Implementierungszeit deutlich verkürzt und signifikant Kosten gespart. Zudem hat uns diese selektive Migration einen direkten Umstieg nach S/4HANA ohne technische Einschränkungen ermöglicht“, unterstreicht IT-Service-Chef Dörnbach.
Viessmann realisierte deutliche Prozess-Verbesserungen, spürbaren Effizienzvorteile in vielen Geschäftsbereichen sowie eine reduzierte Komplexität in der gesamten IT-Infrastruktur. Durch die neue ERP-Plattform sind kritische Ersatzteile schneller verfügbar. Möglich wird dies durch eine interne Priorisierung bei Engpässen. Daraus folgen reduzierte Lagerbestände, die für weitere Einsparpotenziale sorgen.
Zusätzlich hat das Unternehmen Innovationen wie Integrated Business Planning (IBP) und MRP live (Material Resource Planning) realisiert. In der Materialbedarfsplanung etwa konnte die Berechnungszeit von früher sechs Stunden auf jetzt nur noch 50 Minuten verkürzt werden.