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Die steigende Energienachfrage und die klimapolitischen Anforderungen treiben einen grundlegenden Wandel in der Art und Weise voran, wie wir Energie erzeugen, speichern und verbrauchen. Der Ausbau der Kernenergie sowie das anhaltende Wachstum erneuerbarer Energien bilden die Grundlage für eine Zukunft, in der unsere Energieinfrastruktur nicht länger eine Einschränkung, sondern ein Katalysator für Innovation ist.
Foto: Amazon Web Services
Werner Vogels ist Chief Technology Officer bei Amazon.com, wo er für die Entwicklung der kundenorientierten Technologievision des Unternehmens verantwortlich ist. Als eine der treibenden Kräfte hinter Amazons-Cloud-Computing-Ansatz ist es seine Leidenschaft, jungen Unternehmen dabei zu helfen, globale Größe zu erreichen, und Unternehmen in schnelllebige digitale Organisationen zu verwandeln.
Vor zwei Jahren prognostizierte ich einen Innovationsschub bei intelligenten Energietechnologien, mit einem Fokus auf Speicherlösungen, dezentralisierte Netze und intelligente Verbrauchssysteme. Diese Einschätzung war eine Reaktion auf die globale Energiekrise und die beispiellosen Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie. Doch seither hat sich das Umfeld drastisch verändert. Die Einführung generativer KI, kombiniert mit einem breiten Vorstoß zur Elektrifizierung verschiedener Sektoren – von der Mobilität bis hin zur Industrie – hat die Energienachfrage erheblich gesteigert. Diese Entwicklungen unterstreichen die dringende Notwendigkeit robuster und skalierbarer Energiesysteme.
In den letzten zehn Jahren haben sich erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie als zunehmend skalierbar und zuverlässig erwiesen und damit einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einer saubereren Energieerzeugung erreicht. Sie haben entscheidend dazu beigetragen, unseren CO₂-Fußabdruck zu reduzieren und die Energieerzeugung zu dezentralisieren. In China machen erneuerbare Energien inzwischen 37 Prozent der gesamten Energiekapazität aus, und bis 2028 wird prognostiziert, dass erneuerbare Energien 42 Prozent der globalen Energieversorgung ausmachen. Dennoch können erneuerbare Energien allein die rapide wachsende Nachfrage nicht schnell genug decken. Um diese Lücke zu schließen, brauchen wir eine konstante, modulare und rund um die Uhr verfügbare Ergänzung.
Die Kernenergie hat sich als vielversprechende Lösung neu positioniert. Dabei geht es nicht darum, zu alten Modellen zurückzukehren, sondern modernste Technologien wie Small Modular Reactors (SMRs) zu nutzen. Diese Reaktoren sind kleiner, flexibler und leichter zu warten als traditionelle Kernkraftwerke. Unternehmen wie Amazon investieren bereits massiv in diesen Bereich, beispielsweise durch die führende Rolle in einer Finanzierungsrunde von 500 Millionen US-Dollar für X-Energy zur Entwicklung von SMRs und durch Partnerschaften mit Energy Northwest zur Errichtung von SMRs im Bundesstaat Washington. Fortschritte in der Fertigungstechnologie, wie lokale Elektronenstrahlschweißverfahren, die die Zeit für kerntechnische Schweißarbeiten von einem Jahr auf etwa einen Tag reduzieren, könnten die Bauzeiten drastisch verkürzen. Innovationen in der seismischen Sicherheit, etwa durch die Japanische Atomenergiebehörde, erhöhen zudem die Sicherheit der Kernenergie in erdbebengefährdeten Gebieten. Besonders interessant ist das Potenzial von SMRs, bestehende Standorte wie stillgelegte Kohlekraftwerke wiederzuverwenden, um diese schnell an das Stromnetz anzuschließen und dringend benötigte Energie bereitzustellen.
Die Bewältigung unserer Energieherausforderungen erfordert jedoch mehr als die Erzeugung von Energie; es bedarf auch eines Umdenkens beim Verbrauch. Angesichts des steigenden Bedarfs an Rechenleistung durch die breite Nutzung generativer KI in verschiedenen Branchen muss die Energieeffizienz von Rechenzentren überdacht werden. Derzeit verbrauchen Rechenzentren in den USA vier Prozent des nationalen Stroms; bis 2029 wird ein Anstieg auf neun Prozent erwartet. Die effektivste Maßnahme ist der Übergang von veralteter Infrastruktur zu Hyperscale-Rechenzentren, die den Energieverbrauch durch verbesserte Effizienz und Skaleneffekte um nahezu 25 Prozent senken. Darüber hinaus ist die nächste Entwicklungsstufe die Gestaltung von Rechenzentren als flexible Lastzentren, die ihren Energieverbrauch in Echtzeit an die Anforderungen des Stromnetzes anpassen können. Das würde nicht nur den Energieverbrauch optimieren, sondern auch die Stabilität und Resilienz des Stromnetzes erhöhen.
Dieser transformative Wandel erfordert mehr als technologische Innovationen; er setzt eine qualifizierte Arbeitskraft voraus – von Kerntechniker:innen und Maschinist:innen bis hin zu Netzmanagementexpert:innen und Materialwissenschaftler:innen. Investitionen in Bildung, Schulung und Umschulungsprogramme sind entscheidend. Diese Entwicklung wird Volkswirtschaften umgestalten, indem sie gut bezahlte, hochqualifizierte Arbeitsplätze schafft und Innovationen in verschiedenen Sektoren vorantreibt. Letztlich stehen wir vor einer Ära, in der unsere Energiebedarfe uns nicht mehr einschränken. Saubere Energie, gestützt durch technologische Innovation und eine qualifizierte Belegschaft, wird eine neue Ära der Innovation einläuten, unsere Möglichkeiten neu definieren und uns auf dem Weg zu einer nachhaltigen, sauberen Energiezukunft voranbringen.
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