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In unserer Serie „A Little More Conversation“ kommen CDOs zu Wort, die die Digitale Transformation in ganz unterschiedlichen Unternehmen und Branchen aktiv und innovativ vorantreiben. Einer davon ist Andreas Schumacher, Director Digitalization/CDO der VTU Group. Er rät, sich nicht vor analoger Kommunikation zu drücken, denn wenn sich das Gegenüber nicht ausreichend abgeholt fühlt, scheitert auch die beste Innovation. Von Michael Dvorak
Foto: it&t business/Lisa Resatz
Andreas Schumacher, VTU Group: „Wenn sich dein Gegenüber persönlich nicht ausreichend eingebunden und abgeholt fühlt, kann auch die beste digitale Innovation scheitern.“
Man kann vermutlich kaum analoger in die Rolle des CDO starten als es Andreas Schumacher getan hat. Als er Anfang 2022 die neugeschaffene Funktion des Director Digitalization in der heimischen VTU Group antrat, verbrachte er die ersten zehn Tage fast ausschließlich mit ausführlichen Gesprächen und dabei größtenteils mit Zuhören. 40 Top Manager erzählten ihm auf seine Einladung hin beinahe im Stundentakt, wo der jeweilige Bereich in Sachen Digitalisierung stand und welche digitale Unterstützung man bei der Arbeit brauchte. Für reichlich Gesprächsstoff und eine Fülle von Aspekten sorgte schon die spannende Grundkonstellation: Das Unternehmen hatte sich in drei Jahrzehnten vom kleinen Ingenieursbüro zum internationalen Konzern transformiert, der heute an 35 Standorten in neun Ländern für den Life-Science-Bereich Prozessanlagen plant und optimiert und dabei auch das gesamte Projektmanagement liefert. Zu den Kunden zählen die weltweit führenden Hersteller in diesem Sektor.
Der gar nicht technologische, sondern betont zwischenmenschliche Start wurde für Schumacher zum Programm: „Wenn es um Digitalisierung oder um die digitale Strategie geht, redet man zumeist über Innovationen, aber die eigentlich entscheidende Arbeit passiert darum herum. Und für diese Arbeit sind zwischenmenschliche Kommunikation und Akzeptanz die zentralen Erfolgsfaktoren.“ Das beginnt schon damit, dass man sich zwar relativ bald ein Bild über die großen Bereiche machen kann, aber nicht über die insgesamt mehr als 150 digitalen Initiativen, die überall im Unternehmen laufen. In der VTU Group sind digitale Abläufe ein selbstverständlicher Teil des Kerngeschäfts – so selbstverständlich, dass Initiativen, die diese Abläufe optimieren und etwa noch stärker automatisieren, in den Fachbereichen manchmal gar nicht unter dem Titel Digitalization gesehen werden. Sie dennoch alle auf der Digitalisierungslandkarte sichtbar zu machen und zu einem Big Picture zusammenzufügen, wird da für den CDO zu einer echten Herausforderung: „Über Reporting lässt sich das nicht machen, weil das für die Fachbereiche viel zu aufwendig wäre. Also muss man versuchen, das digitale Gras wachsen zu hören – und dazu laufend möglichst viele persönliche Gespräche führen.“
Alleine mit Fragen und Zuhören war es für Andreas Schumacher allerdings von Anfang an nicht getan, schließlich galt es die Menschen im Unternehmen für Digitalisierungsinitiativen und für eine digitale Strategie zu gewinnen. Strategie und Kommunikation waren und sind für ihn dabei untrennbar miteinander verbunden: „Es nützt nichts, wenn man im stillen Kämmerchen ein Jahr lang an einer Strategie bastelt – man muss sie auch möglichst rasch zu den Menschen bringen. Spätestens nach dem ersten Jahr muss für alle im Unternehmen sichtbar sein, was Digitalization für sie bringt.“ Und für alle sichtbar machen ließ sich das am effektivsten nicht in Präsentationen und Roadmaps, sondern bei den Arbeitsabläufen in der Praxis. Also investierte der CDO seine Zeit zunächst vor allem in die Entwicklung mehrerer kleiner „Themen-Schnellboote“ deren Umsetzung zwischen zwei Tagen und zwei Monaten dauerte und die sich möglichst vielen Mitarbeiter:innen wirkungsvoll kommunizieren und greifbar machen ließen, wie zum Beispiel ein digitaler Urlaubsantrag. „Dass die richtige Balance zwischen Strategie und Umsetzung mitunter zu einer Gratwanderung werden kann, muss einem dabei bewusst sein“, macht Andreas Schumacher klar. „Man kann aber nicht alles auf einmal machen und muss daher priorisieren. Wenn man wie ein Berater nur Strategie-Folien präsentiert, wird man die Menschen kaum ins Boot holen können. Als CDO muss man sich auch in die Umsetzung hineinbegeben und digitalen Nutzen greifbar machen.“
Ein Selbstläufer ist die Akzeptanz allerdings auch dann nicht. Auch dem besten Stück digitaler Technologie fliegen nicht automatisch die Herzen zu, wenn es nicht von der richtigen Kommunikationsstrategie begleitet wird. Und je interaktiver die angelegt ist, umso stärker wirkt sie. Bei der VTU Group fährt man dazu einen Open-Door-Ansatz und postet regelmäßig konkrete Fragen, die Mitarbeiter:innen zum digitalen Arbeiten stellen wie beispielweise: Wie finde ich einen Planner oder ein File wieder, das ich gelöscht habe? Gerade solche auf den ersten Blick banale Fragen sind für Schumacher ein häufiger Grund, warum die Leute digitale Tools oft kaum nutzen: „Es hakt nicht an den großen Fragen rund um KI oder Data Analytics, sondern an den kleinen aus dem Alltag und daran, dass man sich geniert, sie zu stellen und sich damit bloßzustellen. Tatsächlich stellen sich aber 20 Kolleg:Innen genau die gleichen Fragen.“
Allerdings gibt es gerade bei digitalen Innovationen nicht auf jede Frage zu jedem Zeitpunkt schon eine befriedigende Antwort – zwangsläufig. Manche Antworten kristallisieren sich erst im Laufe eines Projekts heraus. Dass sich so mancher CDO dann lieber auf formelle Kommunikation per eMail zurückzieht, ist für Andreas Schumacher zwar verständlich, aber dennoch der falsche Weg: „Gerade in solchen Fällen ist es wichtig, das Gegenüber ernsthaft einzubinden und zu zeigen, dass man seine Anforderungen und seine Situation versteht und berücksichtigt. Wenn sich das Gegenüber nicht ausreichend abgeholt fühlt, kann auch die beste Innovation scheitern. Genau dieses Einbinden und diese Akzeptanz erreicht man aber eben nur mit ganz analoger zwischenmenschlicher Kommunikation.“
Die Serie „A Little More Conversation“ entstand im Rahmen der neuen Kooperation von it&t business mit DIGBIZ Leader. Michael Dvorak hat als langjähriger Herausgeber des CIO/CDO GUIDE den Finger am Puls der Digital Executives und berichtet ab sofort für it&t aus der Praxis der Entscheider:innen, die die Digitale Transformation mit Leben erfüllen. Bereits erschienen sind die Gespräche mit Manuel Stecher, CDO/Head of Digitalization des VERBUND, und Martin Buresch, Vice President Digitalization der GG Group.