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Das größte Krematorium Europas hat die Prozesse um die amtsärztliche Leichenschau digitalisiert, um sie schneller und hygienischer abwickeln zu können. Im Zentrum steht dabei eine Blockchain-Lösung.
Foto: Rhein-Taunus-Krematorium Mit einem digitalen Fingerabdruck stellt das Rhein-Taunus-Krematorium die Echtheit von Dokumenten sicher und verhindert Manipulationen Das Rhein-Taunus-Krematorium, mit Sitz in Dachsenhausen bei Koblenz (Rheinland-Pfalz), ist das größte Krematorium Europas und wird von zwei Unternehmerfamilien getragen. Es verfügt über acht Einäscherungsanlagen, die jede Einäscherung computergesteuert regeln.
Vor jeder Einäscherung erfolgt die offiziell beauftragte Leichenschau, die zertifiziert werden muss und vor Ort von einem Amtsarzt durchgeführt wird. Er stellt die Todesursache fest, dokumentiert dies und gibt den Toten damit zur Einäscherung frei. Danach erhält das Gesundheitsamt die Dokumente. Es muss sichergestellt werden, dass die Papiere zur richtigen Person gehören, da das Krematorium sonst nicht zur Einäscherung berechtigt ist. In der Vergangenheit wurden für den Vorgang Formulare ausgedruckt, vom durchführenden Amtsarzt unterschrieben und an das Gesundheitsamt weitergegeben. Der Zeit- und Personalaufwand war hoch, Dokumente mussten sortiert und zugeordnet werden, etwa welche ans Gesundheitsamt weitergeleitet und welche intern in der Handakte abgelegt werden.
Der Rhein-Taunus-Krematorium ist bestrebt, Arbeitsprozesse so weit wie möglich zu digitalisieren, was auf die Leichenschau ausgeweitet werden sollte – mit dem Ziel, zum einen Arbeitszeit zu sparen und zum anderen die Abläufe hygienischer zu gestalten, da dank der Digitalisierung kein Papierhandling mehr notwendig ist. Der digitale Prozess sollte fälschungssicher, anwenderfreundlich und schneller sein und dabei so nachvollziehbar wie jener, der auf Papier fußte. Erforderlich war außerdem die digitale Zertifizierung bzw. Authentifizierung der Dokumente des Amtsarztes; im analogen Prozess mussten sie nicht zertifiziert werden, da ihre Echtheit und Unveränderlichkeit mit seiner Unterschrift gegeben war.
In Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt wurde das Projekt gestartet. Das Krematorium entwickelte gemeinsam mit dem Softwarehaus Deudat einen digitalen, datenschutzkonformen Prozess für die Leichenschauen. Das Besondere dabei: Die Authentifizierung der Dokumente erfolgt über Blockchain-Technologie.
Der Partner Deudat war bereits mit dem Datenschutz des Rhein-Taunus-Krematoriums beauftragt. Der Beschluss, auf eine neue Technologie zu setzen, erfolgte im Februar 2021, bereits im Mai ging das System live. Dank des bereits bestehenden digitalen Prozesses musste nur noch eine Schnittstelle implementiert werden musste.
Die Anwendung basiert auf einer sogenannten Konsortium-Blockchain, in der Deudat einen Blockchain-Knoten betreibt. Die weiteren, für die Anwendung notwendigen Knoten, werden von der Blockchain Initiative Austria betrieben. Nur Teilnehmer der Blockchain Initiative Austria können Daten in die Blockchain schreiben. Im Gegensatz zu öffentlichen Blockchains ist damit ein unnötig hoher Energiebedarf ausgeschlossen.
Die Authentifizierung der Leichenschau-Dokumente erfolgt als sogenannte Notarisierung, einer Transaktion mit vier Teilen: einem Hashwert, einer Transaktions-ID, einem Zeitstempel und dem Dokumentnamen. Es werden also ausschließlich anonyme Daten verarbeitet. Die Notarisierung ist damit ein digitaler Fingerabdruck: Er beweist, dass ein elektronisches Dokument zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Form existiert hat und seitdem nicht verändert wurde. Die Blockchain-Technologie gewährleistet so den Schutz der Integrität der Dokumente sowie der Urheberrechte.
Zunächst wurden die Anforderungen für die Lösung definiert, dann erfolgte die Anbindung ans Programm. Eine Herausforderung bestand in der Schnittstellendefinition für zwei verschiedene Notarisierungsdienste. Nachjustierungsbedarf erforderte nur die Automatisierung, die etwas genauer abgestimmt werden musste. Dafür wurde geklärt, wie die Datenübergabe funktioniert und das Problem in enger Abstimmung mit dem Team von Deudat gelöst.
Der Amtsarzt scannt nun die Belege, wie Todesbescheinigungen oder Einäscherungsnachweise, der Sterbefälle, führt die Leichenschau durch und gibt den Status an. Alle Daten werden an ein geschlossenes System übertragen. Die Authentifizierung des Arztes erfolgt via Unterschrift samt biometrischen Abgleichs (RSA Zertifikat und 4D-Unterschriftsdaten). Parallel werden die Daten in einer Verwaltungssoftware gelistet und geprüft. Der Amtsarzt signiert die digitalen Dokumente mit einer rechtsgültigen Unterschrift als qualifizierte elektronische Signatur (QES) über ein SignPad. Danach werden die Daten im Rahmen des standardisierten Datenaustauschformats xPersonenstand angereichert und ihre Integrität geprüft. Die Notarisierung erfolgt im Anschluss automatisch mit einer API. Die Dokumente werden danach gesichert an das Gesundheitsamt Bad Ems übertragen.
Ohne die Blockchain-Lösung und damit die Authentifizierung der Dokumente und die Bestätigung ihrer Echtheit vor der Behörde hätte das Rhein-Taunus-Krematorium die amtsärztliche Leichenschau nicht digitalisieren können.
Der Amtsarzt kann heute die Dokumente für alle Leichenschauen digital ablegen und muss sie nur einmal bestätigen. Früher war dies bei jedem einzelnen Zertifikat erforderlich. Der Prozess ist mit seinem hohen Automatisierungsgrad insgesamt komfortabler geworden und deckt IT und Datenschutz gleichermaßen ab. Die Lösung bedeutet auch eine Arbeitserleichterung für das Gesundheitsamt, das nun ebenfalls keine Ausdrucke mehr scannen und sortieren muss. Die Zuordnung der Dokumente kann in die Akte digital erfolgen, wodurch Fehler minimiert werden. Gleichzeitig musste das Amt keine neue Technik anschaffen und kann die Echtheit leicht überprüfen. Es entstehen ihm keine zusätzlichen Aufwände.
Insgesamt ist die Verbindung zum Gesundheitsamt schneller geworden, die Fälle können zügiger bearbeitet werden und die Auswertung der Leichenschau erfolgt zeitnaher und einfacher. Auch der Aufwand für die Dokumentation der Leichenschau ist gesunken. Nicht zuletzt schont der niedrigere Papierverbrauch die Umwelt.
Sechs Amtsärzte und rund zwölf Anwender des Krematoriums nutzen die Lösung heute. Sie wurden im Vorfeld geschult. „Bei Fragen ist Deudat immer ansprechbar. Wir sind stets im Kontakt und Probleme werden schnell behoben,“ sagt Judith Könsgen, Geschäftsführerin des Rhein-Taunus-Krematoriums.
Die Zufriedenheit mit der neuen Lösung ist hoch. „Seit der Nachjustierung läuft das System störungsfrei“, so Könsgen weiter. In der Zukunft wird nun eruiert werden, ob und in welchem Maße sich Blockchain-Technologie auch für andere Bereiche eingesetzt werden kann: „Wir werden die Zusammenarbeit mit Deudat weiterführen. Wir sind sehr zufrieden“, so Könsgen final.
Die Ergebnisse der Leichenschauen im Rhein-Taunus-Krematorium können nun digital an das Gesundheitsamt weitergeleitet werden. Mit der Blockchain-Technologie werden die Echtheit der Dokumente und der Datenschutz gewährleistet.