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Zwillinge haben einen besonderen Zauber: Sie gleichen sich und sind doch zwei unterschiedliche Individuen ‒ die Wissenschaft nutzt das gerne für Vergleichsstudien. In der IT ist der digitale Zwilling die perfekte Lösung, um die gesamte IT inklusive Rechenzentren zu simulieren und geplante Veränderungen vorab zu testen. Moderne IT-Infrastruktur-Managementsysteme sollten daher diese Funktionalität besitzen, um kleine und große Change-Projekte reibungslos in kurzer Zeit umsetzen zu können. Gastbeitrag von Oliver Lindner.
Foto: FNT Der Autor Oliver Lindner ist Director of Product Management bei FNT, einem Anbieter von Lösungen für das Management digitaler Infrastrukturen. Die Unternehmens-IT hat permanent mit Änderungen und Anfragen zu tun: Wie wirkt sich das Abschalten eines Servers im Rechenzentrum aus? Könnte man die Last auf den Datenbank-Server anders verteilen, um den Stromverbrauch der Rechenzentrumskühlung zu senken? Wie sieht die Netzwerk-Struktur aus, wenn ein wichtiger Applikationsserver in die Cloud verlagert wird?
Kein IT-Leiter würde solche Vorhaben ohne umfangreiche Planung und Tests direkt am lebenden Objekt ausprobieren. Daher kommen vermehrt digitale Abbilder, sogenannte „digitale Zwillinge“, zum Einsatz. Ein solch virtuelles Spiegelbild eines realen Rechenzentrums, das sich genauso verhält wie die Realität, ermöglicht es, die Change-Maßnahmen gefahrlos auszuprobieren und Korrekturen vorzunehmen, bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist. Anschließend lassen sich die Veränderungen automatisiert in Beschaffungs- und Dienstleisteraufträge für das reale Rechenzentrum verwandeln und nach Ausführung mit einem Klick im digitalen Zwilling als neuer Ist-Zustand festschreiben. Das Konzept des digitalen Zwillings der IT-Infrastruktur adaptiert damit Konzepte der Fertigungsindustrie für die Unternehmens-EDV.
Der Einsatz eines digitalen Zwillings hat viele Vorteile: Über ein digitales Abbild lassen sich automatisiert regelmäßige Analysen und Auswertungen fahren, um Probleme bei der Auslastung, Redundanz, Effizienz und Klimatisierung zu ermitteln und zu beheben. Umfangreiche Planungen und Tests am digitalen Zwilling minimieren die Downtimes von Business-Services, da bei der Implementierung von Änderungen keine „Überraschungen“ mehr auftreten. Mit einem digitalen Zwilling können IT-Verantwortliche Abhängigkeiten visualisieren und Szenarien entwickeln, um Vor- und Nachteile verschiedener Veränderungen oder Erweiterungen zu vergleichen und fundierte Entscheidungen zu treffen.
Basis dieses Abbildes ist eine umfassende Dokumentation der IT- und TK-Infrastruktur des Unternehmens von der Hardware über Netzwerke und Anwendungen bis hin zu Services. Sie kann nicht nur sofort Auskunft über Standorte und Auslastung geben, sondern auch dazu genutzt werden, Prozesse zu automatisieren und damit effizienter zu gestalten. Ein digitales Abbild fördert auch die interdisziplinäre Arbeit zwischen unterschiedlichen Teams (Server Management, Network Management, Cable Management) und überwindet Silos, weil alle Informationen in einer zentralen Datenbank transparent verwaltet werden. Damit sind auch verschiedene Dokumentationslösungen und Prozesse in verschiedenen Abteilungen passé, da alle Beteiligten ihre Daten in dieser einen Lösung festhalten und diese damit transparent und für jeden verfügbar sind.
Entscheidend ist allerdings ein exaktes, aktuelles und vollständiges digitales Abbild der Realität im Rechenzentrum. Der erste Schritt bei der Nutzung eines digitalen Zwillings ist daher der Aufbau und die Inbetriebnahme einer Inventarisierung Diese erfasst beispielsweise bei einem Server nicht nur das Gerät an sich mit seinen eingebauten Komponenten, sondern auch zusätzliche, relevante Informationen, wie physische Kennzahlen zu Gewicht, Abmessungen, maximale Betriebstemperatur, elektrischer Leistungsaufnahme sowie Softwareversionen von Firmware, Betriebssystem und Anwendungen. Die Kennzahlen erlauben eine Abschätzung, ob beispielsweise die Stromversorgung ausreichend dimensioniert und redundant ausgelegt ist und ob die Kühlsysteme noch ausreichen, um weitere Racks und Geräte in den spezifizierten Temperaturbereichen zu betreiben.
Üblicherweise verfügt eine IT-Dokumentationslösung über einen umfassenden Katalog an aktuellen IT- und TK-Geräten, um eine schnelle, bequeme und möglichst fehlerfreie Erfassung aller Assets bzw. Geräte zu erlauben. Gibt es bereits eine IT-Dokumentation, können die Daten in aller Regel zeitnah migriert werden.
Der digitale Zwilling unterstützt die IT sowohl bei kleinen Change-Requests als auch umfassenden Migrationen in die Cloud. So kann das Szenario einer Serververlagerung in die Cloud im Zwilling abgebildet werden, ohne vorher zeitaufwendig Bestand und Bedarfe zu ermitteln ‒ das liefert der Zwilling auf Knopfdruck. Er zeigt automatisch auf, wo Bandbreiten zu schmal sein könnten und welche Abhängigkeiten des aktuellen On-Premises-Server zu anderen Servern und Applikationen bestehen.
Auch Lastspitzen und Hotspots im Rechenzentrum, die durch eine ungleiche Lastverteilung entstehen, lassen sich mit einem digitalen Zwilling elegant entflechten. Dies können Verantwortliche nutzen, um die Klimaleistung und damit Kosten zu senken und die Anschaffung neuer Server zu vermeiden.
Ein besonderer Vorteil ist aber die gewonnene Agilität, Veränderungen relativ mühelos planen und umsetzen zu können. Damit gewinnt das Unternehmen wertvolle Zeit, um auf Marktveränderungen umgehend reagieren zu können. Ein Proof-of-Concept für eine neue Abteilung ist mithilfe eines digitalen Zwillings viel schneller aufgesetzt und in ein Live-Produktivsystem überführt, wenn die IT auf eine aktuelle und umfassende IT-Dokumentationslösung zugreifen kann.
Eine professionelle Lösung ist zusätzlich noch in der Lage, aus einem Szenario über eine API zum ERP-System Lagerbestände abzufragen, Einkaufsaufträge zu generieren und Dienstleister zu beauftragen. Die Dienstleister können nach ausgeführter Aufgabe den projektierten Soll-Zustand als erledigt markieren, woraufhin der Auftraggeber nach Kontrolle der Ausführung den Soll- zum Ist-Zustand erklärt und per Klick in das System übernimmt.
Wer ein Rechenzentrum effizient betreiben möchte, benötigt dafür umfassende Transparenz über alle Assets und eine Softwarelösung, die eine optimale Unterstützung bei Changes bietet. Die ideale Lösung ist dafür ein IT‒Dokumentationstools, das als digitaler Zwilling Projektvorhaben bei Design, Planung, Test, Implementierung und Betrieb optimal unterstützt. Damit wird das Unternehmen agiler und kann bei deutlicher Entlastung der IT schneller neue Entwicklungen anstoßen und umsetzen.
Der Autor Oliver Lindner verfügt über rund 30 Jahre Erfahrung in der IT und im Management von IT-Infrastrukturen mit Schwerpunkt auf Rechenzentren.