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Die Schäden, die Cyberkriminelle jährlich verursachen, gehen in die Billionen. Trotzdem wiegen sich viele Unternehmen in falscher Sicherheit. Welche Maßnahmen Firmen in puncto Cybersicherheit ergreifen sollten und was der chinesische Philosoph Sun Tzu zu dem Thema beitragen kann, erklärt Michael Beaupre von Hays im zweiten Teil unserer Interviewreihe.
Foto: Hays
„Viele Unternehmen mögen um die strategische Relevanz von Cyber-Sicherheit wissen, haben aber wenig Verständnis für die tatsächliche Gefahr und Komplexität von Cyber-Angriffen.“
it&t business: Im ersten Teil unseres Gesprächs nannten Sie drei Konstellationen, wie Unternehmen ihrer Erfahrung nach gut mit dem Thema Cyber-Sicherheit umgehen können und warum die Zusammenarbeit von CISOs (Chief Information Security Officer) und Vorständen dafür so relevant ist. Wieso unterscheidet sich der Umgang mit Cyber-Sicherheit trotzdem so sehr?
Mike Beaupre: Die Antwort darauf ist komplex. Mit Sicherheit spielt die Tatsache eine Rolle, dass die Geschwindigkeit der Einführung technologischer Innovationen oder auch der Reifegrad von Unternehmen stark variieren. Mehr Technologie bedeutet mehr Angriffsfläche. Mehr Angriffsfläche bedarf mehr Sicherheit. Die Implikationen dessen variieren von Branche zu Branche – oft einzigartig oder zumindest in sehr unterschiedlichen Formen. Gerade deshalb darf Cyber-Sicherheit keine „one size fits all“ Lösung sein. Wichtig ist vielmehr, Trends zu verstehen und individuelle Maßnahmen abzuleiten.
Das Cybercrime Magazine hat diesbezüglich einige beeindruckende Statistiken veröffentlicht. So soll sich der globale Schaden im Kontext von Cyberkriminalität derzeit auf etwa 10,5 Billionen US-Dollar belaufen – jährlich. Im Vergleich dazu sollen lediglich 240 Milliarden US-Dollar pro Jahr in entsprechende Gegenmaßnahmen investiert werden. Ein Ungleichgewicht. Meines Erachtens nach investieren Unternehmen zu wenig und laufen Gefahr, mit aktuellen Entwicklungen nicht Schritt halten zu können. 3,5 Millionen offene Stellen sind ein Zeugnis dessen. Einfach gesagt: Unternehmen können nicht mehr mit Cyber-Kriminellen Schritt halten.
it&t business: Die Schäden sind national wie international riesig. Trotzdem schildern Sie, dass Unternehmen zu wenig in Cyber-Sicherheit investieren. Was meinen sie ist der Grund dafür?
Mike Beaupre: Der Grund dafür ist keinesfalls, dass Unternehmen nicht versuchen würden, sich gegen Cybersicherheit abzusichern. Sie ergreifen die Initiative, arbeiten mit globalen Communities zusammen, deren Mitglieder Missstände erkennen und melden. Dieser Trend hin zu reaktiven Maßnahmen hat sich in den letzten fünf Jahren verstärkt. Es ist ein Anfang, aber noch nicht die Lösung. Vielmehr gilt es sich dem größten Risiko zu stellen: Dem falschen Sicherheitsempfinden, das Unternehmen entwickelt haben.
Sie wähnen sich zu oft in Sicherheit, obwohl sie es nicht sind. Viele Unternehmen mögen um die strategische Relevanz von Cyber-Sicherheit wissen, haben aber wenig Verständnis für die tatsächliche Gefahr und Komplexität von Cyber-Angriffen. Das hat zur Folge, dass nach und nach ein Sicherheitsempfinden entsteht, welches nicht der realen Bedrohungslage entspricht.
In diesem Kontext erscheint es Unternehmen als ausreichend, einen CISO oder ein Cyber-Team einzustellen, Antiviren-Maßnahmen zu ergreifen oder Cyber-Versicherungen abzuschließen. Der prognostizierte globale Schaden von 10,5 Billionen Dollar zeigt deutlich auf, dass diese Maßnahmen eben nicht ausreichen. Wiegen sich Unternehmen trotz der aktuellen Lage in Sicherheit, setzen sie sich einem hohen Risiko aus. Ich möchte keine Angst schüren – ich stelle nur diese einfache Tatsache fest.
it&t business: Wie können Unternehmen langfristig Cyber-Kriminalität entgegentreten?
Mike Beaupre: Unternehmen müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass der Kampf gegen Cyber-Kriminalität von Dauer ist. Die Angriffsfläche vergrößert sich scheinbar analog zum exponentiellen Wachstum von Technologie. Cyber-Angriffe und der daraus resultierende Schaden sind gravierend. Deswegen ist es so wichtig, ein Verständnis für die Eigenheiten und die Größenordnung des Konfliktes zu entwickeln, seine Widersacher im Cyber-Kontext kennenzulernen und die eigenen Kompetenzen realistisch einzuschätzen.
Oder wie es Sun Tzu in die Die Kunst des Krieges ausdrückt: „Wenn du dich und den Feind kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten. Wenn du dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst du für jeden Sieg, den du erringst, eine Niederlage erleiden. Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen.“
Sun Tzus Philosophie ist noch immer der Kern der Lösung. Im Cyber-Kontext bedeutet das Zitat: Unternehmen müssen anerkennen, dass sie sich in einem Kampf befinden. Sie müssen sich verpflichten, diesen Kampf zu gewinnen. Und nicht zuletzt müssen sie die dazu notwendigen Kompetenzen und Fähigkeiten entwickeln und Bündnisse schließen.
Michael Beaupre ist Head of Cyber Security beim Spezialisten für Personallösungen Hays. Der Experte für Cybersecurity, organisatorisches Risikomanagement und IT-Compliance blickt auf über 25 Jahren Erfahrung in der Beratung internationaler Unternehmen jeder Größenordnung und Einrichtungen des öffentlichen Sektors zurück.
Teil 3 des Interviews folgt demnächst.