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Cyberattacken in Österreich nehmen dramatisch zu. Staatlich unterstützte Angriffe haben sich verdoppelt, Lieferketten sind ein beliebtes Angriffsziel und KI-Technologien bringen noch nicht die erhoffte Entlastung. Die Jubiläumsausgabe der KPMG-Studie „Cybersecurity in Österreich“ beleuchtet Entwicklungen und formuliert dringende Handlungsaufrufe.
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Robert Lamprecht , KPMG Partner und Studienautor
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Andreas Tomek, Partner bei KPMG
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Michael Höllerer, Präsident des Kompetenzzentrums Sicheres Österreich
Cyberangriffe sind längst keine isolierten Bedrohungen mehr, sondern Ausdruck globaler Machtverschiebungen. Wie die zehnte Ausgabe der KPMG-Studie „Cybersecurity in Österreich“ zeigt, treffen geopolitisch motivierte Angriffe zunehmend auch heimische Unternehmen und kritische Infrastrukturen. Die Zahlen der Befragung von 1.391 Unternehmen belegen eine klare Tendenz: Österreich ist nicht nur betroffen, sondern in weiten Teilen unzureichend vorbereitet, um sich gegen die komplexer werdenden Bedrohungen wirksam zu verteidigen. Die Entwicklungen verdeutlichen, wie sehr Cybersecurity heute ein strategisches Thema für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist.
Die Zahl der Angriffe durch staatlich unterstützte Akteure hat sich in Österreich mehr als verdoppelt: von 12 Prozent im Vorjahr auf aktuell 28 Prozent. Diese Attacken zielen längst nicht mehr nur auf Datendiebstahl oder Ransomware ab, sondern auf die gezielte Manipulation von Geschäftsprozessen und die Destabilisierung kritischer Infrastrukturen. Die Verunsicherung in der Wirtschaft ist erheblich: 55 Prozent der Unternehmen halten Österreich für nicht gut vorbereitet, um schwerwiegende Cyberangriffe auf die kritische Infrastruktur abzuwehren, lediglich 13 Prozent sind gegenteiliger Meinung. Besonders auffällig ist der Anstieg der Angriffe aus Asien, die sich von 18 auf 41 Prozent mehr als verdoppelt haben. Auch europäische Quellen zeigen eine Zunahme von 15 auf 29 Prozent. Die Studie fordert eine nationale Cybersicherheitsstrategie, die internationale Kooperationen stärkt und technologische Investitionen forciert.
Die Bedrohung durch Desinformation wächst parallel zur Zunahme klassischer Cyberattacken. Social Engineering avanciert zum zentralen Instrument hybrider Einflussnahme. Jeder zehnte Social-Engineering-Versuch in Österreich nutzt bereits Deepfake-Technologien für Sprach- und Videonachrichten. KPMG-Partner Robert Lamprecht warnt: „Desinformationskampagnen sind wie digitales Gift, das langsam, aber spürbar das Vertrauen in Institutionen, Medien und demokratische Prozesse zersetzt.“ Die Grenzen zwischen Realität und Manipulation verschwimmen zunehmend, was die gesellschaftliche Widerstandskraft gegen Cyberbedrohungen erheblich schwächt.
Trotz der enormen Potenziale der künstlichen Intelligenz bleibt sie im Bereich Cybersicherheit eine zweischneidige Technologie. 78 Prozent der Unternehmen spüren eine Verschärfung der Bedrohungslage im Zusammenhang mit dem Einsatz neuer Technologien wie KI. Andreas Tomek, Partner bei KPMG, betont: „KI ist ein starkes Werkzeug in der Cybersicherheit, aber kein Allheilmittel. Ihre Wirksamkeit hängt von der korrekten Einbindung und Anwendung sowie von den eingesetzten Technologien ab.“ Unternehmen seien gut beraten, sich nicht allein auf KI-Lösungen zu verlassen, sondern auch in grundlegende Schutzmaßnahmen wie Identitäts- und Datenmanagement sowie Mitarbeiterschulungen zu investieren.
Cyberkriminelle haben erkannt, dass Zulieferer und Dienstleister oft über schwächere Schutzmechanismen verfügen. Bei 32 Prozent der Unternehmen in Österreich hatten erfolgreiche Angriffe auf Partnerunternehmen unmittelbare Auswirkungen auf das eigene Geschäft. Robert Lamprecht mahnt: „Unzureichende Sicherheitsstandards bei Lieferanten und Dienstleistern öffnen den Cyberkriminellen Tür und Tor.“ Europäische Vorgaben wie NIS-2 und DORA sollen künftig die Lieferkettensicherheit verbessern, doch derzeit geben 38 Prozent der befragten Unternehmen an, nicht genau zu wissen, welche Schutzmaßnahmen ihre Partner implementiert haben. 47 Prozent äußern die Sorge, dass Zulieferer geringere Sicherheitsstandards einhalten und so zum Einfallstor für Cyberangriffe werden könnten.
Die Gestaltung einer resilienten digitalen Infrastruktur wird zunehmend zur Mammutaufgabe für Gesellschaft und Wirtschaft. Michael Höllerer, Präsident des Kompetenzzentrums Sicheres Österreich, unterstreicht: „Technik allein reicht nicht, den Herausforderungen zu begegnen. Es braucht Menschen, die Verantwortung übernehmen, Risiken verstehen und aktiv an Lösungen mitwirken.“ Kooperation zwischen Behörden, Wirtschaft und Wissenschaft sei essenziell, um eine nachhaltige Sicherheitskultur zu etablieren. Innovation und Sicherheit dürften dabei nicht als Gegensätze verstanden werden, sondern müssten Hand in Hand gehen.