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Eine neue Generation von CISOs und Heads of Security kann mit dem Motto „My Home is my Castle“ oder vielmehr „My Company is my Castle“ kaum mehr etwas anfangen. Abigail Steinhardt ist eine von ihnen und seit eineinhalb Jahren für die IT-Sicherheit beim Immobilienkonzern SORAVIA verantwortlich. Für sie ist klar, dass Einmauern keine taugliche Strategie ist und dass auch und gerade Security flexibel sein muss, weil sie Teil des Business ist. Dazu ist es allerdings nötig, dieses Business möglichst genau zu kennen – das große Ganze genauso wie die kleinen Details. Ein Portrait von Michael Dvorak, Herausgeber CIDO Guide. Fotos: Heidi Pein
Abigail Steinhardt: "Ich kann mit jemandem aus einer Fachabteilung nicht über offene Ports reden – ich muss über die Abläufe und Needs meines Gegenübers sprechen."
Für Abigail Steinhardt war alles schon sehr früh vorprogrammiert – und das wortwörtlich. Als ihre Schulfreundinnen noch überlegten, ob sie Balletttänzerin oder Popsängerin werden wollten, war für sie der Berufswunsch längst klar: Programmiererin. Die HTL, in der sie anfangs eines von nur 50 Mädchen unter 900 Schüler:innen war, sorgte dann – massiv unterstützt von der Lieblingsserie Navy CIS – für eine Feinjustierung und öffnete ihr Herz für die Forensik und für die IT-Security generell als berufliches Ziel. Genau dort ist sie, nach Zwischenstationen im IT Support und als Server Admin, auch angekommen. Heute agiert sie als Head of IT Security bei SORAVIA, einem der führenden Immobilienkonzerne in Österreich und Deutschland.
Mit rund 4.300 Mitarbeiter:innen punktet das Unternehmen mit 360-Grad-Immobilienkompetenz und deckt damit für Kunden und Investoren den gesamten Lebenszyklus von Immobilien ab. Das Kerngeschäft erstreckt sich von Projektentwicklung und Investment über Asset Management und Hospitality bis hin zu Property und Facility Management. Für Abigail Steinhardt bedeutet das ein breites Spektrum an Themen und Herausforderungen, aber zugleich auch an Möglichkeiten: „Was mir an Security extrem gefällt, ist, dass sie allübergreifend und überall mit dabei ist. Man braucht ein breites Grundverständnis und kann bei unterschiedlichsten Themen und Projekten als Enabler mitgestalten.“
Nicht in jedem Unternehmen wird das von den Kolleg:innen in den anderen Bereichen auch immer so gesehen. Bei SORAVIA war das aber schon vor eineinhalb Jahren größtenteils der Fall, als die damals neue Security-Verantwortliche mit ihrer Interpretation hinaus in alle Abteilungen ging. Ein Grund dafür war, dass die Transformation einer 140jährigen Tradition in ein hochgradig digitalisiertes Kerngeschäft im Konzern bereits in vollem Gange war. So positioniert man mit sich mit Projekten wie dem ROBIN Seestadt oder dem TrIIIple am Donaukanal als Vorreiter sowohl bei Workplaces als auch Wohnungen jeder Größe, wenn es um Modernität, ökologische Nutzungsneutralität und Energieeffizienz geht – und setzt dabei intensiv auf Technologie, von intelligenten IoT Buildings bis zu Smart Home Apps für die Mieter:innen. Das hatte im Unternehmen ein gewisses Grundverständnis für digitale Sicherheit und auch für den Schutz von Daten geschaffen.
„Wir haben sehr viele übergreifende Projekte, bei denen große Datenmengen zum Beispiel mit Baufirmen und Lieferanten über zum Großteil eigenentwickelte Portale absolut sicher ausgetauscht werden müssen“, erklärt Steinhardt. „Und vor allem haben wir auch sensible Daten von Mieter:innen und Investor:innen zu schützen. Das hat für uns oberste Priorität.“
Daneben sorgten, wie in anderen Unternehmen auch, die Medienberichte über konkrete Cyber-Angriffe auf namhafte heimische Unternehmen für erhöhte Sensibilität. Und natürlich war auch die Unterstützung durch das Management essenziell. Dennoch war für die Security-Verantwortliche der Start in ihre neue Rolle zugleich auch der Start einer permanenten Überzeugungs- und Kommunikationsarbeit, die nie aufhören wird: „Das beginnt bei den Mitarbeiterschulungen, um die grundsätzliche Awareness für Cyber Security laufend zu stärken. Und das endet vor allem in vielen persönlichen Gesprächen, egal ob mit dem Management oder mit Mitarbeiter:innen, die ein Problem haben. Wichtig war uns von Anfang an, klar zu kommunizieren: Was sind unsere Ziele? Und wie wollen und können wir die gemeinsam bei den jeweiligen Projekten und Prozessen erreichen? Und dass wir dabei lösungsorientiert agieren.“
Sich auf Policies zurückzuziehen und darauf, zu sagen „Das geht nicht!“, ist für die IT-Security von SORAVIA keine Option. Wenn eine Lösung nicht umsetzbar ist, dann gilt es zunächst die Gründe dafür transparent zu machen: Wie würde das Unternehmen auf diese Weise angreifbar? Was sind die Risiken, die dadurch für das Business entstünden? Ziel ist es, dabei stets auch eine alternative Lösung zu präsentieren, um das Business nicht zu bremsen, sondern zu empowern. Das funktioniert allerdings nur, wenn sich die IT-Security in das Business hineinversetzt – das beginnt schon bei der Sprache. „Ich kann mit jemandem aus einer Fachabteilung nicht über offene Ports reden“, sagt Abigail Steinhardt. „Ich muss über die Abläufe und Needs meines Gegenübers sprechen. Nur so kann ich die Risiken wirklich verständlich machen. Und nur so kann ich diese Abläufe und Needs und das Ziel dahinter vor allem auch selbst verstehen. Das ist notwendig, weil ich sonst ja keinen Plan B entwickeln und eine echte Alternative bieten kann.“
Für Steinhardt sind IT-Security und Risk Management untrennbar miteinander verbunden – gerade, weil genau dieses Verständnis immer entscheidender wird. Diesen Umstand trägt sie auch aktiv hinaus ins Unternehmen … und erzielt Wirkung. Mittlerweile ist die IT-Security bei SORAVIA dediziert auch für das Thema Risk Management mitverantwortlich. Und damit auch für eine ganze Menge Fragestellungen, die sich vielleicht nicht alle Security-Verantwortlichen freiwillig aufhalsen würden … auch wenn die meisten von ihnen früher oder später ohnehin mit diesen Fragen konfrontiert werden. Und dann erst recht Gefahr laufen, zu späten Verhinder:innen statt zu frühen, aktiven Mitgestalter:innen zu werden.
„Security muss bei der Gestaltung von Innovationen überall proaktiv mitgedacht werden“, sagt Abigail Steinhardt. „Aber dazu darf die Security nicht darauf warten, dass die anderen das tun, sondern muss selbst proaktiv Innovationen mitdenken und zwar bewusst auch aus einer ganzheitlichen Sicht. Zum Beispiel, wo sich bei einer neuen Entwicklung nicht nur beim Produkt selbst, sondern irgendwo im Gesamtkontext vielleicht ein riskantes Hintertürchen auftut.“
Das Potenzial für solche Hintertürchen wächst rasch und das nicht nur im eigenen Unternehmen: Mit jedem Stück IoT in einem Gebäude, jeder App und jedem Portal, aber auch mit jedem digitalisierten Schritt und jedem neuen Partner in einer Lieferkette ergeben sich tausende neue Datenpunkte, die es zu erkennen und zu analysieren gilt.
Bleibt die Frage: Wie soll das ein, noch dazu kleines, Security-Team schaffen? Steinhardt setzt dazu auf Vernetzung, intern mit den anderen Abteilungen und extern beim Austausch mit Peers und vor allem mit einigen gleichermaßen kompetenten wie zuverlässigen Security-Partnern. Und sie bekommt dabei auch zunehmend Unterstützung durch die Technologie, insbesondere durch KI: „Einerseits ist KI für die Security eine absolute Herausforderung, weil dadurch die Angriffe immer intelligenter werden. Umso wichtiger wird es, sie andererseits auch zur Unterstützung einzusetzen, um Risiken frühzeitig zu erkennen. Im Moment liegt der vorrangige Nutzen noch in der Geschwindigkeit. Aber dank der Digitalisierung können hier zunehmend auch Logs und Daten aus verschiedensten Quellen und von unterschiedlichsten Seiten zusammengefügt und in ein System gespeist werden.“
Diese übergreifenden Möglichkeiten, um Zusammenhänge her- und darzustellen, sind für Abigail Steinhardt umso entscheidender, weil aus ihrer Sicht genau das künftig eine erfolgreiche IT-Security und ein erfolgreiches Risk Management ausmachen wird – Themen wie Endpoint Security sind da nur noch ein kleiner Baustein im Gesamtbild: „Ich muss mein Business über das eigene Unternehmen hinaus als großes Ganzes betrachten und zwar von allen Seiten, aber gleichzeitig auch heruntergebrochen bis ins Detail … wie einen lebenden Organismus. Und den muss ich auch digital abbilden können, um die Risiken für das gesamte Unternehmen tatsächlich abschätzen zu können. Nur so bekomme ich eine Grundlage, um künftig möglichst rasch und flexibel Entscheidungen treffen zu können.“