Automotive Supply Chains: ERP-Systeme müssen einen Gang höher schalten. Gastbeitrag von Stefan Issing
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Der Autor Stefan Issing ist Global Automotive Industry Director bei IFS
Zahlreiche Faktoren und Trends werden die Supply Chains der Automotive-Branche über kurz oder lang nachhaltig verändern. Allen voran steht dabei die Industrie 4.0, in der Maschinen und Werkstoffe über das Internet der Dinge direkt miteinander kommunizieren und so sich selbst steuernde Systeme schaffen. Damit eröffnen sich der Automotive-Branche neue Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle, in deren Rahmen „Just in Time“ und „Just in Sequence“ eine entscheidende Rolle spielen.
Doch nicht nur Industrie 4.0 verändert die Supply Chains der Branche. Mehr und mehr Unternehmen verlagern ihre Fertigungsprozesse nach Asien und Osteuropa, während sie die Entwicklung und Herstellung der Prototypen in ihrem Ursprungsland belassen. Daher müssen sie ihre internen Lieferprozesse über unterschiedliche Länder, Rechtsgebiete und Sprachen hinweg integrieren. Die zunehmende Ausdifferenzierung und Spezialisierung der Automotive-Branche führt außerdem dazu, dass immer mehr kleine Unternehmen mit größeren Zulieferern, OEMs und Herstellern kommunizieren. Da diese oft sehr kleinen Unternehmen häufig nicht über eine leistungsfähige Business Software verfügen, haben sie Schwierigkeiten, die notwendige Transparenz innerhalb der Supply Chains zu sichern. Zulieferer produzieren darüber hinaus heute häufig nicht mehr nur einfache Standard-Komponenten, sondern zusätzlich komplette Module und Systeme, die gezielt für die konkreten Anforderungen ihrer Abnehmer entwickelt werden. Das zwingt sie dazu, auch komplexe Engineering-Prozesse in der Planung zu berücksichtigen.
Für die ERP-Systeme der Automotive-Branche ergeben sich aus diesen Entwicklungen zwei zentrale Anforderungen: Sie müssen eine hohe Transparenz über die komplexen Lieferketten bieten und für einen effizienten Informationsfluss entlang der Supply Chains sorgen. Dafür haben sie einige Voraussetzungen zu erfüllen. Sie sollten die nötige Agilität aufweisen, um flexibel für sehr große Implementierungen nach oben und für kleine Implementierungen nach unten skalierbar zu sein. Idealerweise lassen sie sich mit ein- und demselben Template sowohl an den großen Zentralen der Unternehmen als auch an ihren Töchtern und kleineren Standorten einführen. Außerdem sollten sie in der Lage sein, eine Mischfertigung beispielsweise aus anonymer, Varianten- und projektorientierter Produktion integriert abzubilden. Bieten sie darüber hinaus die Möglichkeit, CAD- beziehungsweise deren nachgelagerte PDM-Systeme anzubinden und bringen ein leistungfähiges Projektmanagement-Tool mit, lassen sich damit komplexe Engineering-Prozesse integrieren und zentral überwachen.
Die Grundlage für effiziente weltumspannende Lieferketten bildet der elektronische Datenaustausch zwischen allen beteiligten Unternehmen. Deshalb muss eine Unternehmenssoftware für die Automotive-Banche natürlich alle gängigen EDI-Formate, wie sie beispielsweise durch die EDIFACT-, VDA- und ODETTE-Standards festgelegt werden, unterstützen. Damit aber auch kleinere Partner innerhalb der Supply Chains effizient eingebunden weden können, sollte sie zusätzlich spezielle B2B-Portale zur Verfügung stellen. Damit lassen sich dann auch Unternehmen einbinden, die nicht über einen EDI-Konverter oder EDI-ähnliche Funktionen verfügen.
Zur Steuerung der immer internationaler werdenden Lieferketten sind leistungsfähige Multi- und Inter-Site-Funktionalitäten gefragt. Sie sollten eine weltweite standortübergreifende Planung ermöglichen und so einen ununterbrochenen Materialfluss gewährleisten können. Entscheidend ist außerdem, dass die Unternehmenssoftware nicht nur einfach unterschiedliche Sprachversionen anbietet, die lediglich die Gegebenheiten des Heimatstandortes in Englisch, Tschechisch oder Chinesisch abbilden. Benötigt werden stattdessen spezielle Landesversionen, die neben der Sprache auch die rechtlichen Aspekte der jeweiligen Standorte berücksichtigen.