Die E-Commerce-Branche befindet sich im Umbruch – Unklarheit herrscht darüber, wohin die Reise geht. Die Konferenz Gameplan suchte in Berlin nach Antworten.
John Anderton betritt ein Einkaufszentrum und wird sofort von holographischen Projektionen begrüßt. Wie ihm denn die Hemden, die er beim letzten Besuch erstanden hat, gefallen, wollen die schemenhaften Gestalten wissen, und schlagen ihm auf Basis seines bisherigen Einkaufsverhaltens gleich weitere Artikel vor, die dem Polizisten auf der Flucht gefallen könnten. Das Bild, das der Science Fiction-Thriller „Minority Report“ von der Konsumwelt im Jahre 2050 zeichnet, sei gar nicht so weit hergeholt, erklärte der IT-Experte Jack Shaw auf der B2B-Konferenz Gameplan des kürzlich von SAP aufgekauften E-Commerce-Anbieters Hybris – der Film habe sich nur um 40 Jahre verschätzt. Entsprechende Technologien seien heute schon verfügbar und im Einsatz. Shaw spricht von der „fünften Welle“ in der Informations- und Kommunikationstechnologie nach Mainframe, Personal Computern, Client-/Server-Architektur und dem Internet-Boom. Intelligente, selbstlernende Systeme werden Unternehmen künftig zunehmend bei Entscheidungen unterstützen. Ein Beispiel dafür sei die dynamische Preisgestaltung im Bereich Online-Werbung, bei der eine Software automatisch Kosten und die optimale Platzierung für die jeweilige Ad berechnet.
Ganz geheuer sind diese aktuellen Entwicklungen der Branche selbst nicht, muss Brian Walker, SVP of Strategy bei Hybris, zugeben. Mobility, Social Networks, das „Internet of Things“ und Big Data werden profunde Auswirkungen auf die E-Commerce-Branche haben – welche, sei allerdings noch nicht ganz absehbar. Eines stehe jedoch fest, so Walker: Der Druck auf die Unternehmen steigt. Kaum eine Firma kann sich heute noch erlauben, auf die Absatzmöglichkeiten einer eigenen E-Commerce-Plattform zu verzichten.
Besonders B2B-Unternehmen sind hier in der Bringschuld. Die aktuelle Forrester-Studie „Online and Mobile are Transforming B2B Commerce“ hatte danach gefragt, wie der B2B-Sektor seine Produkte und Services an den Käufer bringen. Tatsächlich werden in den USA im B2B eCommerce bereits 559 Milliarden US-Dollar jährlich erzielt – mehr als das Doppelte des B2C-Geschäfts. Laut der Studie gehen B2B-Player, die nicht auf den Online- und Mobile-Zug aufspringen, das Risiko ein, kurz- bis mittelfristig Marktanteile und auf lange Sicht ihre Konkurrenzfähigkeit zu verlieren.
B2B-Kunden wollen B2C-Komfort
Die vielleicht wichtigste Erkenntnis sei laut dem Forrester-Analysten Andy Hoar jedoch, dass B2B-Kunden immer auch B2C-Kunden sind. Sie sind es gewohnt, sich online über Produkte zu informieren und wollen dieses Verhalten nun auch auf den Business-Bereich übertragen. Die Erwartungen der B2B-Kunden an den Online-Einkauf sind deutlich gestiegen. Ganz oben auf der Wunschliste steht Flexibilität, etwa in Form eines 24-Stunden-Zugangs zu mobilen und Online-Tools für den Kundenservice.
Laut der Studie gibt die Hälfte der B2B-Anbieter, die über den Online-Kanal bereits direkt an Geschäftspartner verkaufen, an, dass ihre Abnehmer entweder ihre Kunden-Websites oder B2B-Versionen dieser Websites nutzen, um die gewünschten Produkte und Services zu bestellen. Parallel zum allgemeinen Online-Trend zeigte die Befragung, dass B2B-Kunden immer häufiger zu mobilen Geräten greifen. Mehr als die Hälfte der Kunden von Unternehmen, die ihr Portfolio bereits online anbieten, nutzen Smartphones, um sich über Produkte zu informieren und sie zu kaufen. Auch der Anteil der Tablet-Nutzer liegt bei über 50 Prozent.
Die Forrester-Analysten fanden zudem heraus, dass reine Online-Kunden mit höherer Wahrscheinlichkeit zusätzliche Artikel in ihren Warenkorb legen, größere Mengen ordern und Wiederholungsbestellungen tätigen als Kunden, die ausschließlich offline kaufen. Auch Cross- und Upselling-Strategien sowie Loyalitätsprogramme schlagen bei dieser Kundengruppe besser an.
„Der B2B eCommerce gibt den Kunden die komplette Kontrolle über ihre Kauferfahrung. Entsprechend hoch sind ihre Erwartungen an Technologien, mit denen sie nach ihren Wünschen recherchieren, kaufen und Serviceleistungen in Anspruch nehmen können“, fasste Walker die Ergebnisse zusammen. „Um bei Umsatz und Kundenloyalität auf Dauer zu bestehen, müssen B2B-Unternehmen eine Online-Erfahrung bieten, die der des B2C-Sektors in nichts nachsteht und den gesamten Kundenlebenszyklus abdeckt.“ –lh–